Nachhören

Es gibt Momente, da vermisse ich die bissigen Bemerkungen von Wolf Schneider - dem "Journalisten, Sachbuchautor und Sprachkritiker", wenn man der Einordnung von Wikipedia zu folgen bereit ist.

Solche Momente gibt es zurzeit viele, denn es gibt viele Podcasts. Und irgendwie kann kaum einer dieser Podcasts veröffentlicht werden, ohne dass ich dazu aufgefordert werde, ihn "nachzuhören". 

Das ist Produzentensprech. Denn die haben den Podcast aufgenommen und dann gepostet. Für sie ist er damit abgehakt. Fertiges Produkt. Noch nicht ganz Schnee von gestern, irgendwann schon noch die Klickzahlen auswerten. Aber im Prinzip: auf zum nächsten Projekt. Neues Thema, neuer Cast. 

Im Unterschied zur/m Produzent*in, die/der die Aufnahme vermutlich während der Produktion x-Mal gehört hat, höre ich ihn aber, wenn ich auf "Nachhören" klicke, zum ersten Mal.

Ginge es ums Lesen, wäre ich ganz schnell still. Ich habe eine Sendung gehört, und ein Satz hat mir gut gefallen, aber ich konnte ihn mir nicht gleich merken oder hab ihn dummerweise wieder vergessen. Gut, wenn es dann das Manuskript zur Sendung zum Nachlesen gibt. Nachlesen, völlig klar: "(Eine bestimmte Stelle) [noch einmal] lesen oder etwas, was man gehört hat, durch Lesen überprüfen", sagt der Duden. 

"Nachhören" geht auch. Aber streng genommen ist das etwas völlig anderes: Ich kann einem Ton nachhören, bis er ganz verklingt. Einer Sirene, einem Glockenschlag, einem Akkord im Musikstück. Er beginnt, dann dringt er an mein Ohr, und irgendwann vergeht er wieder. Es geht also um Zeit. Und um das "Leben", das ein Ton haben kann. 

Klar, auch eine Sendung aus dem Radio kann ich, wenn es eine Aufzeichnung von ihr gibt, ein zweites Mal hören, und noch einmal und vielleicht immer wieder. 

Wenn ich aber die Sendung gar nicht gehört habe, und den Podcast entdecke, dann höre ich ihn nicht "nach". Nein, ich höre ihn dann zum ersten Mal. Wie eine LP, eine CD oder eine andere Tondatei. Einmal ist immer das erste Mal.

Und das ist es, was die Aufforderung "zum Nachhören" eigentlich meint: "Hör dir das doch mal an...!" Da geht es um Aufmerksamkeit, um Gegenwart, und dann vielleicht auch um noch einmal hören und überprüfen. 

Aber "Beiträge zum Hören" klingt einfach uncool. Es muss schon "Nachhören" sein. Denn wer das verpasst, der hätte das Nachsehen. Darum: "Wer Ohren hat zu hören, der höre nach!" LOL.