#balkonsingen

„Der Mond ist aufgegangen, die güldnen Sternlein prangen…” - Wie oft habe ich das als Kind vorgesungen bekommen. Bis heute habe ich, wenn ich das Lied höre, die klare Sopranstimme meiner Oma im Ohr. „... wie Kinder fromm und fröhlich sein”: danach konnte man geborgen einschlafen.

Seit dem 19. März ruft die Evangelische Kirche in Deutschland dazu auf, täglich um 19 Uhr am offenen Fenster, auf dem Balkon oder im Garten dieses Lied zu singen oder zu musizieren. Als ein Zeichen des Miteinanders in Zeiten des „social distancing”, die gerade angesagt sind. Jeder und jede kann mitmachen, denn singen verbindet und tut gut. „So kann auch Ermutigung und Gemeinschaft entstehen”, sagt Margot Käßmann.

Ich bin gestern mit meinem Sohn an die Orgel gegangen und hab ihm das Lied vorgespielt. Dann fiel mein Blick auf mein Mobiltelefon mit der Sprachaufzeichnungs-App. Warum nimmst du es nicht einfach auf? Und voila, hier ist der Link zum Soundfile.

1. Der Mond ist aufgegangen
die goldnen Sternlein prangen
am Himmel hell und klar.
Der Wald steht schwarz und schweiget,
und aus den Wiesen steiget
der weiße Nebel wunderbar.

2. Wie ist die Welt so stille
und in der Dämmrung Hülle
so traulich und so hold
als eine stille Kammer,
wo ihr des Tages Jammer
verschlafen und vergessen sollt.

3. Seht ihr den Mond dort stehen?
Er ist nur halb zu sehen
und ist doch rund und schön.
So sind wohl manche Sachen,
die wir getrost belachen,
weil unsre Augen sie nicht sehn.

4. Wir stolzen Menschenkinder
sind eitel arme Sünder
und wissen gar nicht viel.
Wir spinnen Luftgespinste
und suchen viele Künste
und kommen weiter von dem Ziel.

5. Gott, lass dein Heil uns schauen,
auf nichts Vergänglichs trauen,
nicht Eitelkeit uns freun;
lass uns einfältig werden
und vor dir hier auf Erden
wie Kinder fromm und fröhlich sein.

6. Wollst endlich sonder Grämen
aus dieser Welt uns nehmen
durch einen sanften Tod;
und wenn du uns genommen,
lass uns in’ Himmel kommen,
du unser Herr und unser Gott.

7. So legt euch denn, ihr Brüder,
in Gottes Namen nieder;
kalt ist der Abendhauch.
Verschon uns, Gott, mit Strafen
und lass uns ruhig schlafen.
Und unsern kranken Nachbarn auch!


Text: Matthias Claudius 1779. Melodie: Johann Abraham Peter Schulz 1790. Evangelisches Gesangbuch, Nr. 482