Reisen bildet

Eigentlich war ich ins Fraumünster gekommen, um die berühmten Chagall-Fenster zu sehen. Dann lese ich im Flyer, dass hier die drittgrößte Kirchenorgel der Schweiz steht. Baujahr 1953, realisiert von einem Genfer Orgelbauer.

Reisen bildet. Aus Studienzeiten hatte sich mir das Bild des alle Musik aus der Kirche verbannenden Zürcher Reformators Hulrdych Zwingli eingeprägt. Als er sich mit anderen daran machte, die Bibel ins Deutsche zu übersetzen, wurde im Fraumünster jeden Tag ein Stück Neues Testament öffentlich ausgelegt und bearbeitet. Die Altäre, Kunstwerke wurden entfernt. 1527 auch die Orgel. Nichts sollte von der Andacht im Gottesdienst und von der Konzentration auf Gottes Wort ablenken, keine Kunst, keine Musik.
 

Lange hat diese radikale Abstinenz nicht gehalten. Zu Pfingsten 1598 wurde in Zürich der Gemeindegesang wieder eingeführt. Eine neue Orgel erhielt das Fraumünster allerdings erst 1853. Die wurde 1911/12 erweitert, und die mechanische Traktur durch eine pneumatische ersetzt. Und dann änderte sich das Klangideal. Seit 1953 – 1971 noch einmal erweitert – erklingen nun 92 Register auf 5 Werken. Über 6.000 Pfeifen.  

Die Prospektpfeifen haben es besonders gut. Sie können den ganzen Tag lang die drei meisterlichen Fenster im Chorraum anschauen: die Himmelsleiter, Christus, und den Harfe spielenden David. Reformierte Reformation. Musik fürs Auge. Berauschend schön.