Die Orgel in der Synagoge

Kürzlich war ich in der Synagoge der Liberalen Jüdischen Gemeinde Amsterdam zu Besuch. Der Rabbiner führte uns durch den Neubau und erzählte dabei neben vielem anderen, man habe im Gottesdienstraum zunächst eine Orgel gehabt, dann aber entschieden, die Gesänge auf dem Flügel zu begleiten.

Eine Orgel in der Synagoge? In der Tat! In Prag gab es das Ende des 16. Jahrhunderts, wenig später auch in Venedig. Die erste Orgel in einer deutschen Synagoge muss 1810 in Seesen entstanden sein. Die vielleicht bekannteste stand ab 1854 in der Neuen Synagoge an der Oranienburger Straße in Berlin. Dort war Louis Lewandowski (1821-1894) Chorleiter. Er entwickelte eine neue Liturgie mit Orgelbegleitung für den jüdischen Gottesdienst. Damit war er einer der ersten, die der Orgel eine besondere Rolle in der Synagoge zugewiesen haben. Freilich weniger als virtuoses Instrument, sondern um dem Gesang des Kantors, des Chores und der Gemeinde ein solides Fundament zu verleihen.

Eine Zeitlang war die Orgel ein wesentliches Element, durch das sich die liberalen jüdischen Gemeinden von den orthodoxen unterschieden. Fast der gesamte Instrumentenbestand wurde in den Pogromen des 9. November 1938 zusammen mit den Gebäuden vernichtet.

Die Musik von Louis Lewandowski erklingt im Synagogengottesdienst bis heute, auch — am Flügel gespielt — in Amsterdam. Einen guten Eindruck von dem Klang, den er den gottesdienstlichen Gesängen gegeben hat, gibt die CD „Tuet auf die Pforten. Musik zur Eröffnung der Neuen Synagoge Oranienburger Straße & the Best of Louis Lewandowski“, mit Isaac Sheffer, Michael Cayton und dem Synagogal Ensemble Berlin, erschienen beim Label Jubal im März 2018.